Blog Präsente Momente - Michaela Ehinger

Virginia Woolf und das Sein

Einen Moment des „Nicht-Seins“

in „Sein“ verwandeln

Gestern las ich eine wunderbare Tagebuchnotiz von Virginia Woolf, die mich zum Nachdenken anregte. Sie spricht darin von guten Tagen mit viel „Sein“ und eher schlechten Tagen mit vielen Momenten des „Nicht-Seins“.
Wenn wir bewusst Präsenz herstellen gewinnen wir deutlich an Gestaltungsspielraum.

Hier zunächst die Notiz von Virginia Woolf und dann eine Übung, die einen Moment des „Nicht-Seins“ – in „Präsent Sein“ verwandelt.

„Jeder Tag enthält viel mehr Nicht-Sein als Sein… Gestern, Dienstag, der 18. April, zum Beispiel, war zufällig ein guter Tag, überdurchschnittlich voll an Sein. Es war wunderbar… Ein großer Teil des Tages wird nicht bewusst gelebt. Man geht spazieren, ißt, sieht alles mögliche und befaßt sich mit dem, was getan werden muss: mit dem defekten Staubsauger, im Planen des Dinners, im Schreiben der Einkaufsliste für Mabel, mit Waschen, Kochen, Buchbinden. An einem schlechten Tag ist der Anteil des Nicht-Seins viel größer.“*

Wie kann es gelingen einen sogenannten „schlechten Tag“ in einen „Guten“ zu verwandeln?
Da wir in jeder Minute circa 5-20 mal ein- und ausatmen, haben wir durch das bewusste Wahrnehmen einer Atembewegung circa 1000 mal am Tag die Möglichkeit einen Moment des „Nicht-Seins“ in „Sein“ zu verwandeln und gewinnen zudem Abstand von dem, was uns eben noch involvierte.

Übung: Handauflegen auf das Brustbein
Setzen Sie sich aufrecht und so entspannt wie möglich hin, oder legen Sie sich auf den Rücken. Schließen Sie die Augen, und legen Sie Ihre bevorzugte Hand sanft auf Ihr Brustbein. Spüren Sie die sanfte Berührung. Spüren Sie die Atembewegung unter Ihrer Hand. Geben Sie nach. Streifen Sie die Hand bei den Ausatmungsbewegungen leicht abwärts. Stellen Sie sich vor, Sie befreien dabei Ihr Herz von zu viel auf ihm lastenden Druck. Hand aufs Herz – das tut gut. Das sanfte Berühren kann starke Gefühle wie Trauer und Schmerz auslösen. Anders ausgedrückt: Das Zuviel an angestautem Druck beginnt sich zu lösen.
Dies ist eine von vielen Möglichkeiten einen Moment präsent zu leben, welche ich in meinem Buch „PRÄSENZ Handlungsspielräume erkennen und gestalten“ aufzeige.

Viel Vergnügen beim Sein.

Michaela Ehinger

*Virginia Woolf , Augenblicke, Deutsche Verlags-Anstalt 1981, Seite 95 und 96